Kommentar von Ulrich Reitz Wenn Einwanderung gelingen soll, müssen wir unangenehme Fragen stellen

FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz

Mittwoch, 07.12.2022, 15:47

Deutschland - ein Einwanderungsland? Weshalb werden dann die Schattenseiten der Einwanderung ignoriert oder mit Betroffenheitsrhetorik zu den Akten gelegt? Wer in Deutschland eine erfolgreiche Einwanderungspolitik machen will, muss sich harten Fragen stellen. Robert Michael/dpa/Archiv
Ein Zettel mit der Frage nach der Minderjährigkeit klebt im Ankunftsbereich für Geflüchtete.

Die Ulmer Polizei warnt nach dem Mord von Illerkirchberg vor einem "Generalverdacht" gegen Asylbewerber. Ein ARD-Mann stimmt beim "Generalverdacht" ein. Die Düsseldorfer Grünen wollen den Clan-Begriff umdefinieren, damit kein "Generalverdacht" gegen Clan-Mitglieder entsteht.

"Generalverdacht" - das ist das neue Wieselwort der Beschwichtiger. Es fällt immer dann, wenn ein Asylbewerber oder ein Eingewanderter Straftaten begeht, eine Regierung aber nicht darüber reden will.

Frage an CDU-Innenminister nach Mord in Illerkirchberg

Das Muster wiederholt sich. Migrantische Kriminalität wird kleingeredet, zum "Einzelfall" erklärt, Zweifel an Verbrechens-Statistiken werden angemeldet. Und im Gegenzug erklären Grüne wie gerade in Nordrhein-Westfalen, sie wollten "rassistische Denkmuster" bei der Polizei offenlegen.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl - der Mann ist in der CDU - beantwortete die Frage, was der Mord an der jungen Alevitin Ece mit der aktuell laufenden Migrationsdebatte in Berlin zu tun habe, so: "Wir haben keinerlei Erkenntnisse auf eine politische oder religiöse Motivation dieser Straftat." Als ob ein Mord, den wohl ein eritreischer Asylbewerber an einem in Deutschland integrierten Einwandererkind verübt hat, nur dann ein Politikum ist, wenn das Tätermotiv politisch ist.

Was Strobl lieferte - ebenso wie Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) - ist ein längst eingeübter Abwehr- und Verdrängungsreflex: Regierungspolitik will von den bisweilen katastrophalen Folgen von Einwanderung nicht behelligt werden.

Stefan Puchner/dpa/Archivbild
Geflüchtete mit Einkäufen gehen über das Gelände der Landeserstaufnahmestelle (LEA).

Sie begnügt sich deshalb, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in ihrer Reaktion auf Illerkirchberg, regelmäßig mit Betroffenheitsrhetorik, wenn Integration schiefläuft. Auf den Gedanken, eine ehrliche und vollständige Bilanz der Einwanderung nach Deutschland seit 2015 zu ziehen, ist kein Regierungspolitiker seitdem gekommen. Die sozialen, finanziellen und polit-kulturellen Folgen verunglückter Integrationsanstrengungen werden entweder tabuisiert - oder die Diskussion darüber wird aggressiv angegriffen, wobei auch Journalisten mitmachen. Wie, lässt sich in Berlin studieren.

Die Linke in Berlin - sie regiert in dieser Stadt mit - erklärt es zum "Rassismus", wenn Ordnungsamt, Polizei und Zoll gemeinsam Shisha-Bars durchsuchen - eine Praxis, die auch in Nordrhein-Westfalen von den Grünen jetzt zunehmend infrage gestellt wird.

Wir müssen uns den Fragen und Problemen bezüglich der Clan-Kriminalität stellen

Als das Ordnungsamt im Berliner Stadtteil Britz ein gerne von Sozialhilfe beziehenden Clan-Größen besuchtes Luxus-Restaurant filzen wollte - Schwarzgeldverdacht - verhinderte dies die zuständige Linken-Stadträtin Sarah Nagel aktiv. Eine Clan-Größe erklärte sie daraufhin zur "Ehrenfrau".

Die Grünen wollen von "Clankriminalität" nichts wissen - nachdem sie sich jahrelang nicht darum gekümmert haben, obwohl sie, wie in Berlin und Nordrhein-Westfalen, an der Regierungsverantwortung waren. Verfolgt werden soll allenfalls "Organisierte Kriminalität". Kriminelle Clanmitglieder sind aber einfach auch Alltagskriminelle.

Sie betrügen den Sozialstaat, worüber der türkisch-libanesische Clan-Chef Mahmoud al-Zein, der den Staat jahrelang über seine Identität belog, zuletzt sogar ein Buch geschrieben hat. Sie zocken, wie kriminelle Roma-Clans, massenweise Rentner in deutschen Heimen ab. Bilden ihre eigenen Kinder zu Meisterdieben aus, bevor sie ihre Mädchen meistbietend zwangsverheiraten. Zuletzt hat mein FOCUS-online-Kollege Axel Spilcker hier darüber exklusiv berichtet.

Lesen Sie hier den Artikel zu den Familien-Clans
Frauenhandel, Jobcenterbetrug, Raubzüge - "Gute Diebin" bringt 85.000 Euro Brautpreis - Parallel-Gesellschaft der Roma-Clans

Würde, wie Grüne es sich wünschen, über Clankriminalität lediglich berichtet, wenn es sich um "Organisierte Kriminalität" handelt, fielen die vielen anderen Delikte unter den Tisch. "Clan-Kriminalität" gäbe es dann faktisch nicht mehr. Es wäre die definitorische Beerdigung eines für Grüne und Linke unangenehmen, von Deutschland durch jahrzehntelanges Wegsehen selbst geförderten Ausländerproblems.

Gegenwehr kommt in der Ampel-Regierung allerdings von den Liberalen. "Das Problem der Clan-Kriminalität löst man nicht, indem man den Begriff neu definiert, sondern indem man die Ermittlungsbehörden im Bereich Organisierte Kriminalität besser ausstattet und die Bund-Länder-Koordination im Kampf gegen kriminelle Clan-Mitglieder verbessert", sagt Stefan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, zu FOCUS online. Der Allgäuer Bundestagsabgeordnete warnt vor Schönfärberei: "Wenn der Begriff (Clankriminalität) aus den Lagebildern verschwindet, könnte das einen völlig falschen Eindruck von der Problemlage erwecken."

Antworten von CDU-Mann auf Illerkirchberg-Frage

Die Frage, die der CDU-Innenminister Strobl nicht beantworten wollte, die nach dem Zusammenhang mit dem Mord von Illerkirchberg mit der derzeitigen Einwanderungsdebatte, beantwortet sein Parteifreund Christoph Ploss ungeschminkt so: "Es kommen häufig die Falschen nach Deutschland."

Jüngst warnte der wichtigste Unions-Politiker im Europäischen Parlament, CSU-Mann Manfred Weber, von Brüssel aus die Berliner Regierung. Die Ampel-Parteien förderten die Seenotrettung auf dem Mittelmeer - und machten damit die illegale Migration attraktiv. Anstatt nicht reinzulassen, "wer kein Visum, keinen Pass oder keinen Asylgrund hat".

Wie es kommt, dass praktisch jeder Asylbewerber am Ende seiner Flucht nach Deutschland ein Handy dabeihat, aber viele keinen Pass, wird in den Debatten weder von der Union noch von Sozialdemokraten, Grünen oder Linken thematisiert. Derlei überlässt man so den Falschen.

Manfred Weber, der als Mit-Chef einer informellen Großen Koalition im Europäischen Parlament jahrelang praktische Regierungserfahrung hat, schlägt auch eine Lösung für die Mittelmeer-Flüchtlingsproblematik vor: Die Einrichtung von Asylzentren nach europäischem Standard in afrikanischen Ländern. Dort könnten Asylbegehren geprüft werden, bevor Migranten sich kriminellen Schleusern anvertrauen und auf eine mörderische Seefahrt begeben. Die Ampel will davon nichts wissen.

Es gibt keinen Abschiebungsbeauftragten

Und unter Regie von Grünen und SPD sich lieber den von ihrer großstädtischen Klientel favorisierten Seite der Einwanderungspolitik widmen: Mehr deutsche Pässe verteilen und 300.000 abgelehnte, aber jahrelang geduldete Asylbewerber zu einem sicheren Aufenthaltsstatus verhelfen.

Aber einen Abschiebungsbeauftragten, der verhindern könnte, dass es zu diesen Kettenduldungen überhaupt kommt, gibt es immer noch nicht. Den fordert die FDP, um der ausschließlich auf Einwanderung fixierten grün-roten Politik etwas entgegenzusetzen.

Die Idee dahinter entspricht exakt der jahrzehntelangen Politik von Einwanderungsländern wie Kanada. Wer dort etwa ohne Pass hineinwill, wird rigoros abgewiesen. Rechtlich möglich und grundrechtskonform wäre das auch in Deutschland. Allein - es wird nicht gewollt.

ARD-Mann stellt Straftat auf eine Stufe mit Instrumentalisierung

Die Zahl der Flüchtlinge steigt und steigt, die Zahlen sind jetzt höher als 2015. Die Städte wissen nicht mehr weiter, Länder wie Baden-Württemberg veranstalten Flüchtlingsgipfel. Der Mord von Illerkirchberg wird mit Betroffenheitsgesten verbürokratisiert. Die immer weiterwachsende Clan-Kriminalität soll wegdefiniert werden. Deutschland wird zum "Einwanderungsland" erklärt, die Ampel feiert sich dafür.

Und der ARD-Journalist Georg Restle twitterte über den Mord von Illerkirchberg und dessen politische Verarbeitung dies: "Eine Straftat, so widerlich wie deren politische Instrumentalisierung." Es gab einen Shitstorm, und Restle schickte eine "Klarstellung" hinterher: "Widerlich finde ich die Straftat. Widerlich finde ich es daraus politisch Kapital schlagen zu wollen - und Flüchtende unter Generalverdacht zu stellen."

Nach wie vor stellt Restle somit die Straftat auf eine Stufe mit deren angeblichen Instrumentalisierung. Damit ist eigentlich auch schon alles gesagt.


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